Weitere Unterstützungsaktionen

November 2015

Kolumbien – Alternative Medienberichterstattung von jungen Erwachsenen

Jugendliche und junge Erwachsene der marginalisierten Vororte Bogotás haben sich im Jugendnetzwerk Itoco zusammengeschlossen. Sie thematisieren die Perspektivenlosigkeit, fehlenden Ausbildungschancen und prekären Lebensbedingungen und wollen diese in die Öffentlichkeit tragen sowie selbstverwaltete Alternativen aufbauen. So arbeiten sie gemeinsam zu Themen wie Bergbauminen in Bogotá, Verteidigung der Wasserquellen, alternativer Wirtschaft, und vielen mehr, wobei bei allen Themen die Betroffenheit von Frauen und Jugendlichen bzw. ihre Rolle speziell berücksichtigt wird.

In den letzten zwei Jahren hat Itoco damit begonnen einen alternativen Radiosender aufzubauen. Damit eine alternative Berichterstattung realisiert werden kann, die als Gegenpunkt zu den Massenmedien besteht und wahrgenommen wird, bildet Itoco nun 60 Jugendliche und junge Erwachsene zu KorrespondentInnen alternativer Medien aus. In der „Escuela Juvenil de Comunicación Popular“ geht es darum, ihnen Instrumente zu Analyse, Recherche und Journalismus zu vermitteln, damit die Jugendlichen direkt aus ihrer Gemeinschaft mit dem jeweiligen sozio-kulturellen Hintergrund berichten können. Ebenfalls werden ihnen Methoden zur Produktion von Radiosendungen und Videos vermittelt. Mit der Ausbildung sollen die Jugendlichen darin gestärkt werden, ihre Sichtweise und die von der Jugendbewegung diskutierten Alternativen in eine breitere gesellschaftliche Diskussion einzubringen. Gleichzeitig dient sie der politischen Mobilisierung.

Die „Escuela Juvenil de Comunicación Popular“ und der Aufbau alternativer Medien von Jugendlichen ist Teil einer breiteren Jugendbewegung in Kolumbien, die insbesondere in den letzten Jahren erstarkt ist. Die neue Jugendbewegung unterscheidet sich insofern von früheren, als dass diese vor allem an Unis stark waren oder Jugendgruppen von bestehenden Organisationen oder Parteien waren. Die neu entstandenen Gruppen und Organisationen sind demgegenüber auch stark in marginalisierten Barrios präsent, thematisieren gesellschaftliche Problematiken aus Sicht der Jugendlichen und machen sich mit polit-kulturellen Aktivitäten sichtbar. Im Kontext der gesellschaftlichen Mobilisierung für einen dauerhaften Frieden mit sozialer Gerechtigkeit in Kolumbien ist die Präsenz von Jugendbewegungen aus den Barrios wichtig.

Kolumbien – Mobilisierung für Frieden und soziale Gerechtigkeit

Während die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla FARC-EP in die entscheidende Phase treten und ebenfalls Verhandlungen zwischen der Regierung und der Guerilla ELN angekündigt wurden, finden in Kolumbien gesellschaftliche Mobilisierungen für den Frieden statt. Die sozialen Bewegungen stellen klar, dass Frieden nicht einfach Absenz von Waffengewalt bedeutet, sondern eine soziale Transformation beinhalten muss. Eine solche setzt breite gesellschaftliche Diskussionen voraus. Verschiedene Plattformen und Bündnisse fordern deshalb, dass ein „Runder Tisch für Frieden“ mit möglichst breiter gesellschaftlicher Beteiligung eingerichtet wird.

Die alternative Medienplattform Colombia Informa organisiert deshalb ein Treffen von VertreterInnen sozialer Bewegungen. Inhalt des Treffens ist die „Friedenskommunikation“. Die Bevölkerung in den verschiedenen Regionen und Sektoren ist unterschiedlich vom Konflikt betroffen und hat entsprechend unterschiedliche Sichtweisen und Prioritäten, wie ein Frieden mit sozialer Gerechtigkeit aussehen soll. Die Herausforderung in der Friedenskommunikation ist darum, wie die verschiedenen Friedensvorschläge der Bewegungen, die in den Regionen diskutiert werden, breit vermittelt werden können: Konkret geht es darum, diese Vorschläge bei anderen Bewegungen bekannt zu machen und sie in deren Diskussion und eine Agenda der Bewegungen einfliessen zu lassen. Colombia Informa übernimmt dabei die Rolle, mit technischer und inhaltlicher Unterstützung zu diesem Austausch beizutragen.

An einem eintägigen Workshop wird eine Strategie zur Kommunikation erarbeitet, wie die KorrespondentInnen aus den Bewegungen zu einer breiten Mobilisierung für den Frieden beitragen können. Ebenfalls wird ein „Handbüchlein“ für den Frieden im Stil der „educación popular“ hergestellt. Weiter produziert Colombia Informa ein Video über den Prozess, der zum „Runden Tisch für Frieden“ führen wird. Das Video ist Informationsinstrument über die Partizipation der Sozialbewegungen und deren Ausarbeitung von Vorschlägen für den dauerhaften Frieden mit sozialer Gerechtigkeit, das breit eingesetzt werden soll.

 

September 2015


Kolumbien: Treffen von Minenbetroffenen und sozialen Bewegungen gegen forcierte Minenpolitik

In Kolumbien ist die Minen- und Energiepolitik die von der Regierung Santos erklärte „Wirtschaftslokomotive“. Der Rohstoffabbau im Tagebau sowie der Bau von Staudämmen werden forciert. Der unersättliche Bedarf nach Land für den Rohstoffabbau geht einher mit (oft gewaltsamen) Vertreibungen. Umleitung und Verschmutzung von Flüssen ebenso wie die durch Tagebauminen verursachte Umweltverschmutzung führen dazu, dass lokale Bevölkerungen ihren Lebensunterhalt durch Fischerei oder Landwirtschaft verlieren. Krankheiten durch Luft- und Wasserverschmutzung nehmen zu, AnwohnerInnen ziehen weg oder ganze Dörfer müssen umgesiedelt werden. Die Gemeinden in denjenigen Regionen, die reich an Rohstoffen sind und wo diese industriell ausgebeutet werden, weisen die höchsten Armutsraten im Land auf.

Im April 2014 führten von Minen betroffene Gemeinden und Organisationen ein erstes Treffen mit dem Titel „Territorien und Widerstände gegen die Minenlokomotive“ zum Austausch und zur Vernetzung durch. Anderthalb Jahre später findet nun am 11. und 12. September 2015 ein zweites Treffen statt. Ziel ist es, einen gemeinsamen Aktionsplan zu erarbeiten, um die bisher vorwiegend lokalen Widerstände gegen den Ausbau und die Forcierung der extraktiven Industrie besser zu vernetzen und zu koordinieren. Am Treffen nehmen 150 VertreterInnen sozialer Basisorganisationen aus diversen Regionen teil. Die TeilnehmerInnen kommen insbesondere aus betroffenen Minengebieten, vertreten sind aber ebenfalls Zusammenschlüsse von Bewegungen, welche KleinbäuerInnen, Gewerkschaften, Indigene, Kleinmineure und Umweltorganisationen umfassen. Der SOLIFONDS unterstützt das Treffen mit einem Beitrag an Transport und Verpflegungskosten.

Peru: Klage gegen Perubar/Glencore wegen Massenentlassung nun vor Oberstem Gerichtshof

Perubar, eine Tochterfirma des Schweizer Rohstoffgiganten Glencore, entliess 2008 alle Minenarbeiter der Rosaura-Mine in der Provinz Lima. Insgesamt standen 500 Minenarbeiter von vier Leihfirmen von einem Tag auf den anderen auf der Strasse. Sie wurden gezwungen, Einverständniserklärungen zu unterschreiben und somit quasi selber zu kündigen. Gleichzeitig wurde ihnen das Sozialgeld ausbezahlt. Drei Leihfirmen stellten Einverständniserklärungen aus, die im Wortlaut, inklusive Datum, absolut identisch und somit unschwer als von Perubar initiiert zu erkennen waren.

Der Massenentlassung vorhergegangen waren Arbeitsinspektionen, die die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anstellung von Leiharbeitern über Drittfirmen bemängelte. Diesbezüglich war zudem eine Gewerkschaftsklage gegen Perubar in Vorbereitung. Die Firma reagierte darauf kurzerhand mit der Entlassung aller Minenarbeiter und dem Verkauf der Mine an Los Quenuales, die ebenfalls zu Glencore gehört.

Die Gewerkschaft Sintramin und die Organisation der Minenfrauen (Central Nacional de la Mujer Minera CNMM) liessen die Begründung des Unternehmens, das gesunkene Rohstoffpreise für die Entlassungen verantwortlich machte, deshalb nicht gelten und reichten Klage wegen illegaler Massenentlassung und Missachtung der Vorschriften zur Schliessung einer Mine ein. Am 26. August 2013 erging das erstinstanzliche Urteil. Es stellte zwar fest, dass auf die Arbeiter Druck ausgeübt worden sei, sich mit ihrer Entlassung einverstanden zu erklären, jedoch hätten sie dadurch, dass sie im gleichen Zusammenhang die Auszahlung ihrer Sozialbeiträge akzeptierten, auch ihre Entlassung akzeptiert. Sintramin legte gegen das Urteil Rekurs ein. Am 17. Juni 2015 wurde der Rekurs von der zweiten Gerichtsinstanz abgewiesen. Sie hält fest, dass es juristisch unmöglich sei, die Wiedereinstellung zu fordern, wenn zuvor Sozialleistungen angenommen worden seien, weshalb die Klage nicht rechtskonform und somit ungültig sei. Sintramin hat nun gegen dieses Urteil wiederum Rekurs eingereicht, da das Auszahlen der Sozialleistungen mit der unter Zwang herbeigeführten Unterzeichnung der Einverständniserklärung einherging und diese beiden Fakten nicht als isolierte Tatsachen behandelt werden können. Deshalb handle es sich eindeutig um eine nach peruanischem Recht missbräuchliche Entlassung und müsse verurteilt werden. Ebenso müsse der Kontext, dass Perubar durch die Massenentlassung und den Verkauf der Mine einer Gewerkschaftsklage und der Regulierung der Leiharbeiter entging, in die Urteilssprechung einbezogen werden. Der Entscheid des Obersten Gerichts wird im Dezember erwartet.

 

Juni 2015 

Mapuche-Gemeinde wehrt sich gegen Fracking und Kriminalisierung

Die indigene Gemeinde von Winkul Newen in Patagonien/Argentinien sieht sich mit schweren Anklagen konfrontiert, weil sie sich gegen die Ölförderung in ihrem Lebensraum wehrt. Nach einem Zusammenstoss mit der Polizei Ende 2012 wurden Anklagen gegen drei Mapuche-AktivistInnen erhoben, die zu 15 Jahren Haft führen können.

Nachdem in Patagonien Gas- und Ölvorkommen entdeckt wurden, sind die dort lebenden Mapuche der Zerstörung ihres Lebensraums, Vertreibungen und Übergriffen durch die Konzerne ausgesetzt. Die Mapuche sprechen von einer zweiten Conquista. Seit über zehn Jahren kämpft die Gemeinde Winkul Newen gegen die zunehmende Ausweitung der Ölförderung in ihrem Territorium und sieht sich neu mit dem Fracking konfrontiert.

Am 28. Dezember 2012 kam es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Die Gemeinde war dabei, ein Kleinkind zu beerdigen, das infolge der Verschmutzung durch die Ölförderung mit schweren Missbildungen zur Welt gekommen war. In eben diesem Moment fuhr ein grosses Polizeiaufgebot bei der Gemeinde auf und verlangte die sofortige Räumung. Die Menschen waren so wütend ob diesem Vorgehen, dass sie Steine gegen die Polizisten warfen. Dabei wurde eine Justizvertreterin von einem Stein am Kopf getroffen und verletzt. Das führte zu Anklagen gegen zwei Gemeindevorsteher wegen Widerhandlungen gegen die Staatsgewalt. Die schwerste Anklage wurde aber gegen Relmu Ñamku erhoben, eine Mapuche, die sich stark im Widerstand gegen die Ölförderung engagiert. Sie ist des versuchten Mordes unter dem Anti-Terrorismusgesetz angeklagt und die Staatsanwaltschaft hat 15 Jahre Haft beantragt. Gegen die Polizeikräfte, die brutal gegen die Trauergemeinde vorgegangen sind und auch eine hochschwangere Frau misshandelt haben, ist es zu keiner Untersuchung gekommen.

Um eine ungerechtfertigte Verurteilung abzuwenden, führt die Gemeinde im Juni 2015 eine Öffentlichkeitskampagne gegen den Prozess gegen Relmu durch. Der SOLIFONDS unterstützt die Gemeinde dabei.

 

Curuguaty, Paraguay – Prozess gegen angeklagte Landlose erneut vertagt

Am 22. Juni 2015 sollte der Prozess gegen 53 angeklagte Kleinbauern und -bäuerinnen im Zusammenhang mit dem Massaker von Curuguaty, bei dem im Juni 2012 13 Kleinbauern und 6 Polizisten getötet wurden, eröffnet werden. Jetzt ist er erneut um einen Monat vertagt worden. Als Grund wurde angegeben, dass kein geeigneter Gerichtssaal zur Verfügung stehe. Zuvor war der Prozess bereits im Juni 2014 und am 17. November 2014 vom Gericht grundlos verschoben worden. Auf Antrag der Verteidigung ist der Prozess von Salto de Guairá nach Asunción verlegt worden. Die Anwälte versprechen sich davon eine grössere Unvoreingenommentheit des Gerichts, mehr Transparenz und dass der Prozess von nationalen und internationalen BeobachterInnen sowie den Familienangehörigen verfolgt werden kann. Der SOLIFONDS unterstützt die Organisation der Opfer und Angehörigen darin, dass Familienmitglieder am Prozess anwesend sein können.

Allerdings ist es einmal mehr fraglich, ob das Gericht tagen wird. Es kann durchaus sein, dass die politische und wirtschaftliche Machtelite in Paraguay an einem Urteil gar nicht interessiert ist. Das Massaker von Curuguaty diente als Vorwand für den parlamentarischen Putsch gegen Präsident Fernando Lugo, in den die Landbevölkerung grosse Hoffnungen auf Verbesserung ihrer Lebensbedingungen setzte. Während eines Prozesses würden die Vorgeschichte und Umstände des Putschs öffentlich diskutiert, was von den Verantwortlichen nicht unbedingt erwünscht ist. Derweil bleiben die haltlosen Anklagen gegen die Landlosen bestehen.

Das Massaker von Curuguaty und der Putsch in Paraguay (antidot)