Informationsbulletin Nr. 71

14. Januar: In Tunesien zwingt das Volk Diktator Ben Ali zur Flucht.

«Nicht mehr schweigen – Solidarität!»

Der Volksaufstand im Maghreb braucht unsere Unterstützung

«Arbeit ist ein Recht, kein Almosen!»; «Freiheit!»; « Nicht mehr schweigen!»; «Innenministerium = Terroristenministerium»; «Brot und Wasser! Ben Ali hau ab!» Die Politstrategen in Europa und den USA haben nicht schlecht gestaunt, als mit solchen Slogans vorwiegend junge Demonstrierende die Diktaturen in Nordafrika ins Wanken gebracht haben und nicht die von ihnen beschworenen Islamisten. Plötzlich war «Demokratie» in aller Munde.

In den von politischer Unterdrückung und Korruption geprägten Ländern gab und gibt es für die Bevölkerungsmehrheit kaum eine Perspektive. Die Machthaber haben sich zu alleinigen Nutzniessern der wirtschaftlichen Reichtümer der Länder gemacht, Armut, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot haben den Alltag der Menschen geprägt. Als die Grenzen zur EU und damit auch zur Schweiz immer dichter gemacht wurden, war auch die Möglichkeit weg, durch Migration dieser Perspektivelosigkeit zu entkommen; die Explosion war eine Frage der Zeit.

Im Dezember begann der Massenaufstand in Tunesien, der sich schnell auf zahlreiche arabische Länder ausgedehnt hat. Der langjährige Herrscher Ben Ali floh mit seiner Familie und plötzlich war aus dem umworbenen Freund des Westens ein Diktator geworden, dessen Konten auf Schweizer und europäischen Banken blockiert werden mussten.

Nachdem die Menschen in Ägypten Präsident Mubarak zum Rücktritt gezwungen haben, verhandelt die Militärregierung mit den Grossmächten hinter den Kulissen die Zukunft des Landes. Geostrategische Interessen – Suez-Kanal, Israel – stehen dabei im Vordergrund, nicht die Forderungen der Bevölkerung nach Brot, Arbeit oder Existenz sichernden Löhnen. Fordern die Menschen dies mit Streiks ein, dann werden sie zur Gefahr für die Demokratie gestempelt.

Ob erfolgreich, wie in Tunesien oder Ägypten, oder offen, wie in Algerien, Libyen und anderen arabischen Ländern, überall in dieser Region hat die Bevölkerung einen Demokratisierungsprozess angestossen, in dessen Zentrum politische Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung stehen. Um diesen Prozess zu stärken, ist unsere Solidarität gefordert.