Duplikat von Informationsbulletin Nr. 98

Diyarbakir / Sur – Frauen bauen Barrikaden gegen die Angriffe des Militärs. Foto : MEH

In einem Interview mit der Zeitung Le Courrier charakterisierte der Präsident des türkischen Menschenrechtsvereins (IHD), Öztürk Türkdogan, die aktuelle Lage in Kurdistan folgendermassen: « In der jüngsten Vergangenheit hat der Friedensprozess grosse Hoffnungen hervorgerufen, aber der türkische Staat hat seine Versprechen nicht gehalten. Aktuell hat die Regierung, mit der stillen Komplizenschaft Europas, einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung eingeleitet. » In diesem Krieg hat die türkische Armee gemäss Türkdogan allein im ersten Quartal dieses Jahres 353 ZivilistInnen getötet und 246 verletzt. Mehr als eine halbe Million Menschen sind vertrieben worden. Tausende von Hektaren Wald und Landwirtschaftsland sind vom Militär verbrannt, grosse Teile kurdischer Städte niedergewalzt und zerbombt worden. In Diyarbakir etwa wurde die historische Altstadt Sur total zerstört. Die nationale Regierung will dieses Gebiet nun enteignen, neu aufbauen und an kapitalkräftige Investoren verkaufen. Türkdogans Fazit: « Die Absicht des türkischen Staats ist es, Kurdistan langfristig zu entvölkern. »

Auf die Angriffe hat die Bevölkerung in Nordkurdistan (Bakur) im Sommer 2015 mit der Ausrufung der Selbstverwaltung in den grösseren Städten und Gemeinden reagiert. Mit dem demokratischen Volkskongress (DTK) besteht seit 2007 eine politische Struktur, die soziale Bewegungen, Vereine und Komitees, Gewerkschaften und Gemeindeverwaltungen umfasst. In den selbstverwalteten Gemeinden arbeiten die Menschen daran, direktdemokratische Strukturen zu schaffen, mit dem Ziel, patriarchale Verhältnisse zu überwinden, Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, solidarisches Wirtschaften zu verwirklichen und einen ökologischen Wandel herbeizuführen.

Die Ökologiebewegung Mesopotamiens und die Initiative zur Rettung von Hasankeyf kämpfen für den Schutz der Lebensgrundlagen. Denn: «Der Kampf für die Natur ist Teil des Kampfes für eine demokratische, emanzipatorische und befreite Gesellschaft», schreibt die Ökologiebewegung. Der SOLIFONDS unterstützt ihren Kampf zum Schutz der Lebensgrundlagen, damit die Intention des türkischen Staats, Kurdistan zu entvölkern, nicht aufgeht.